Neustart in Sicht: Bundesregierung will die bAV besser fördern
Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (bAV) stagniert: Laut BMAS besitzen Ende 2023 nur rund 52 %der Beschäftigten bAV-Ansprüche. Gleichzeitig liegt die durchschnittliche Betriebsrente mit ca. 100 € pro Monatdeutlich zu niedrig. Aus Sicht vieler Arbeitgeber braucht es mehr Berechenbarkeit und weniger Bürokratie, um bAV als Benefit im „War for Talents“ wirkungsvoller einzusetzen.
BRSG 2.0: Stand und Zielrichtung
Das Bundesarbeits- (BMAS) und das Bundesfinanzministerium haben einen neuerlichen Entwurf zur Stärkung der Betriebsrenten vorgelegt. Die Vorarbeiten zum Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG 2.0) sollen in einem zweiten Anlauf zügig umgesetzt werden.
Zentrale Stoßrichtung: Verbreitung und Renditechancen der bAV erhöhen – mit Fokus auf kapitalmarktorientierte Zusagen und der reinen Beitragszusage (rBZ), insbesondere im Rahmen von Sozialpartnermodellen (SPM).
Geplante Maßnahmen (Auswahl)
- SPM erleichtern & öffnen: Unternehmen und Beschäftigte sollen leichter bestehenden SPM beitreten können. Eine mangelhafte Beteiligung der Tarifpartner führt nicht mehr automatisch zur Unwirksamkeit der rBZ, wenn per Öffnungs‑Tarifvertrag an ein bestehendes SPM angedockt wird.
- Opting‑out erleichtern: Automatische Entgeltumwandlung mit Widerspruchsmöglichkeit künftig ohne Tarifvorbehalt, sofern der Anspruch nicht tariflich geregelt ist und der Arbeitgeber 20 % Zuschuss (statt 15 %) zahlt.
- Geringverdienerförderung dynamisieren: Anhebung & Kopplung an die BBG (geplant: 3 % der jährlichen BBG als monatliche Grenze). Zeitplan: Verschiebung voraussichtlich auf 1. Januar 2027.
- Tarifbindung als Regel: SPM bleiben tarifvertraglich – Betriebsvereinbarungen oder Verbandsvereinbarungen reichen nicht aus.
Stimmen aus Praxis und Verbänden
- Marco Arteaga (Luther / Eberbacher Kreis): fordert schnelle Korrekturen für Kosten‑ & Rechtssicherheitsowie Flexibilität – insbesondere für KMU.
- BVK: warnt, der SPM‑Ausbau dürfe nicht zulasten individueller Lösungen gehen; Expertise bei Alterssicherung liege nicht automatisch bei Tarifparteien.
- ver.di (Judith Kerschbaumer): verteidigt SPM: niedrigere Kosten (Beispiel Metzler Sozialpartner Pensionsfonds Ø 0,9 % Abschluss-/Verwaltungskosten) und automatische Einbeziehung; ein separater Vertrieb werde entbehrlich.
- Alexander Siegmund (KPM Pensions & Benefits): kritisiert Bürokratie und übermäßige Garantien als Renditebremse; Lebenserwartung werde teils mit 125–130 Jahren kalkuliert – realistisch seien 94 Jahre(KPM‑Modell, kongruent rückgedeckte Unterstützungskasse).
- BDVM: fordert u. a. Befreiung bAV‑Leistungen von KV/PV‑Beiträgen, Rechtssicherheit für abgesenkte Garantien, vereinfachte Mitnahme bei Arbeitgeberwechsel sowie generelles Opting‑out.
Umsetzungsstand & Branchenbeispiele
Immer mehr Branchen dock(en) an bestehende SPM an (z. B. Chemie‑ & Energiewirtschaft). Weitere Abschlüsse stehen an (u. a. GEW für freie Träger und private Bildungseinrichtungen über das Energie‑SPM).
Klassische bAV bleibt relevant
Trotz rBZ/SPM behält die klassische bAV ihren Platz:
- Direktversicherung bleibt im Mittelstand verbreitet, zunehmend als beitragsorientierte Leistungszusage (BoLZ) mit 60–80 % Beitragsgarantie (statt 100 % bei BZML).
- Systemrendite‑Vorteil: Laut IVFP/Dommermuth ist der Nettoaufwand in der bAV in der Ansparphase im Schnitt nur ~50 % dessen, was für eine gleich hohe private Vorsorge nötig wäre; 2,5–3 % Rendite seien schon ohne Produktzins durch staatliche Förderung + AG‑Zuschuss erreichbar – bei Kollektivtarifen teils höher.
Fazit
Der zweite Anlauf zum BRSG 2.0 setzt auf größere Reichweite, mehr Kapitalmarktnähe und standardisierte Tariflösungen – flankiert von Opting‑out und dynamischer Förderung. Gleichzeitig zeigt die Praxis: Individuelle, klassische bAV‑Wege bleiben wichtig. Für einen echten Neustart braucht es weniger Bürokratie, klare Haftungsrahmen und planbare Garantien – damit bAV skalierbar und rentabel bei Arbeitgebern wie Arbeitnehmern ankommt.
Quelle: FONDS professionell – „Neustart in Sicht“, Ausgabe 3/2025.

