Autor: Alexander Siegmund | Quelle: moneycab.com
Alexander Siegmund, Gründer des Versorgungswerks der deutschen Wirtschaft e.V., im Interview | Moneycab
Alexander Siegmund, Gründer des Versorgungswerks der deutschen Wirtschaft e.V., im Interview
Alexander Siegmund, Gründer des Versorgungswerks der deutschen Wirtschaft e.V. (Bild: zVg, Moneycab)
Von helmuth.fuchs
- April 2025, 10:56 Uhr
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Siegmund, angesichts der aktuellen politischen Konstellation in
Deutschland, insbesondere mit der geplanten Grossen Koalition, wie sehen Sie die Chancen
für eine umfassende Rentenreform, die sowohl die Finanzierung als auch die
Generationengerechtigkeit berücksichtigt?
Alexander Siegmund: Die aktuelle politische Konstellation bietet eine stabile Basis für
notwendige Reformen. Eine umfassende Rentenreform sollte die langfristige
Finanzierbarkeit sicherstellen und zugleich die Generationengerechtigkeit aufgrund der
demografischen Entwicklungen wahren. Dies erfordert mutige Entscheidungen und einen
parteiübergreifenden Konsens. Wahlgeschenke und Versprechen an einzelne Gruppen, wie
die Mütterrente oder Rente ab 63, können hier nicht die Lösung sein.
«Wahlgeschenke und Versprechen an einzelne Gruppen, wie die Mütterrente oder
Rente ab 63, können hier nicht die Lösung sein.» Alexander Siegmund, Gründer des
Versorgungswerks der deutschen Wirtschaft e.V., im Interview
https://www.moneycab.com/interviews/alexander-siegmund-gruender-des-versorgungswerks-der-deutschen-wirtschaft-e-v-im-interview/
Die Schuldenbremse und das Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen sind zentrale
Elemente der aktuellen Finanzpolitik. Wie könnten diese Massnahmen die langfristige
Finanzierung der Rentenversicherung beeinflussen, und welche Alternativen sehen Sie?
Die Schuldenbremse begrenzt die staatliche Neuverschuldung, was den finanziellen
Spielraum für die Rentenversicherung einschränkt. Sondervermögen für
Infrastrukturinvestitionen können indirekt positive Effekte haben, indem sie die Wirtschaft
stärken und somit die Beitragsbasis erweitern. Dennoch sollten alternative
Finanzierungswege geprüft werden, wie beispielsweise eine stärkere Kapitaldeckung
innerhalb der Rentenversicherung.
Vorbild könnte hier etwa das norwegische Modell sein. Vor Jahren hätte man aufgrund der
Niedrigzinsphase mit innovativen Modellen eine Kapitaldeckung erreichen können. Der
Staat als absolut solventer Schuldner (unsere Volkswirtschaft ist immer noch sehr stark)
stand mit niedrigen Zinsversprechen einer grossen Kapitalnachfrage für sichere
Kapitalanlagen gegenüber. Die günstige Kapitalbeschaffung hätte man gut zur
Kapitaldeckung nutzen können.
Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass etwa 16% der Rentner in Deutschland von
Altersarmut betroffen sind. Welche Strategien empfehlen Sie, um diese Zahl zu senken, und
wie könnte die private Altersvorsorge gefördert werden?
Um Altersarmut zu bekämpfen, ist es entscheidend, die gesetzliche Rente zu stabilisieren
und auszubauen. Fremdleistungen sollten vollständig heraus, dass das Kapital effektiv dort
ankommt, wo es unbedingt ankommen sollte, bei den Rentnern. Zudem sollte die
Altersvorsorge über die Betriebe attraktiver gestaltet werden. Das Sozialpartnermodell,
hervorgegangen aus dem Betriebsrentenstärkungsgesetz, ist mit viel zu viel Risiken für die
Belegschaft verbunden. Auch die tarifparteilichen Hürden sind für viele Betriebe relevant.
«Das Sozialpartnermodell, hervorgegangen aus dem
Betriebsrentenstärkungsgesetz, ist mit viel zu viel Risiken für die Belegschaft
verbunden.»
Die bAV sollte gestärkt mit mehr Flexibilität und Attraktivität gestärkt werden. Unsere
Lösung, smart|pension by KPM, bietet hier ein transparentes und ertragreiches
Versorgungskonzept, das mit geringerem Finanzierungsaufwand eine höhere Rentabilität
ermöglicht.
Im Hinblick auf die geplante Einkommensteuerreform, wie könnte die steuerliche Förderung
von Altersvorsorge-Massnahmen verbessert werden, um mehr Menschen zu ermutigen,
privat vorzusorgen?
Die steuerliche Förderung sollte vereinfacht und ausgeweitet werden, um Anreize für
Vorsorge zu erhöhen. Die private Vorsorge ist gut. Da diese aber jedem Bundesbürger allein
überlassen wird, wenig effektiv. Daher sollten die Unternehmen bei der betrieblichen
Altersversorgung entlastet werden und den Mitarbeitenden höhere Freibeträge zur
Besparung zur Verfügung stellen oder steuerliche Gutschriften insbesondere für
Geringverdiener zugutekommen. Veraltete Bestimmungen der Steuergesetzgebung sollten
auf den Prüfstand.
Die AfD hat in den letzten Wahlen an Zustimmung gewonnen, teilweise durch Themen wie
Rentenpolitik. Wie sehen Sie die Auswirkungen dieser politischen Verschiebungen auf die
Lebenssituation von Rentnern in Deutschland?
Der politische Diskurs beeinflusst die Rentenpolitik massgeblich. Es ist wichtig, dass
Rentenfragen, auch solche wie die Einbeziehung von Beamten und Politikern als
Beitragszahler, sachlich und zukunftsorientiert diskutiert werden, um nachhaltige Lösungen
zu finden, die unabhängig von kurzfristigen politischen Strömungen sind.
Es gibt Berichte über Rentner, die aus finanziellen Gründen ins Ausland ziehen. Welche
Zahlen gibt es dazu, und wie könnte die Politik darauf reagieren, um den Verbleib von
Rentnern in Deutschland zu fördern?
Die Deutsche Rentenversicherung Bund und Länder führen Statistiken, wie viele Renten an
Rentner im Ausland überwiesen wurden. Im Jahr 1992 sind ca. 115'000 Rentner
ausgewandert. 2020 mit 248'000 Personen mehr als verdoppelt. Die Politik könnte durch
steuerliche Anreize den Verbleib in Deutschland attraktiver gestalten. Fördersysteme
überdenken. Wenn die Rentenanpassung geringer ausfällt als die Teuerungsrate, könnte
über einen Ausgleich nachgedacht werden. Den Übergang in die Rente mit Erwerbstätigkeit
attraktiver machen. Die Idee, 2000 EUR steuerfrei zu gewähren, wenn Menschen in Rente
weiter erwerbstätig bleiben, geht in die richtige Richtung.
«Im Jahr 1992 sind ca. 115'000 Rentner ausgewandert. 2020 mit 248'000
Personen mehr als verdoppelt.»
Deutschland steht vor erheblichen demografischen Herausforderungen. Wie könnte die
Rentenversicherung an diese Veränderungen angepasst werden, um die
Generationengerechtigkeit zu gewährleisten?
Angesichts des demografischen Wandels ist eine Anpassung des Renteneintrittsalters an
die steigende Lebenserwartung sinnvoll. Die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters
könnte es den Versicherten ermöglichen, individuell zu entscheiden, wann sie in Rente
gehen möchten. Damit würde man zudem die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer
fördern, flexible Übergänge in den Ruhestand ermöglichen und somit zugleich wichtiges
Know-How nicht abrupt im Unternehmen verlieren.
Die betriebliche Altersvorsorge spielt eine wichtige Rolle in der deutschen Wirtschaft. Wie
könnte sie stärker gefördert werden, um die Alterssicherung zu verbessern?
Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) ist ein wichtiger Pfeiler der Alterssicherung. Durch
transparente und attraktive Lösungen können Unternehmen ihren Mitarbeitern eine
ertragreiche bAV bei geringerem Finanzierungsaufwand bieten. Zusätzlich sollten staatliche
Förderungen und Informationskampagnen ausgebaut werden, um die Verbreitung der bAV
zu erhöhen. Die Möglichkeiten für attraktive Modelle zu den Versorgungen sind gegeben,
Unternehmen sind schlichtweg nicht informiert.
«Angesichts des demografischen Wandels ist eine Anpassung des
Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung sinnvoll.»
Beratungen sind teilweise interessengetrieben, nicht effizient. Der Arbeitgeber, als
Leuchtturm, kann hier die Belegschaft fördernd unterstützen. Nicht mit Pflichten
auferlegen, sondern den Unternehmer mit Kampagnen und Hilfen ermöglichen, die
Verbreiterungsquote in seinem Betrieb zu erhöhen. Beispielsweise Beratungsgutscheine für
Mitarbeiterberatungen andenken.
Die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz bietet neue Möglichkeiten zur
Effizienzsteigerung in der Altersvorsorge. Welche konkreten Anwendungen sehen Sie für die
Digitalisierung in der Zukunft der Renten- und Vorsorge-Landschaft?
Digitale Tools und KI können die Beratung personalisieren, Prozesse automatisieren und
die Effizienz steigern. Beispielsweise ermöglichen digitale Plattformen eine transparente
Darstellung von Vorsorgeoptionen und erleichtern den Abschluss sowie die Verwaltung von
Verträgen.
Die Bürokratiekosten im Bereich der Altersvorsorge sind erheblich. Wie könnten diese
Kosten gesenkt werden, um mehr Ressourcen für die eigentliche Vorsorge bereitzustellen?
Die Vereinfachung von Antrags- und Verwaltungsprozessen durch Digitalisierung kann
Bürokratiekosten reduzieren. Standardisierte Verfahren und der Abbau redundanter
Regelungen tragen ebenfalls dazu bei, Ressourcen effizienter für die eigentliche Vorsorge
einzusetzen. Wie lange hat es gedauert, dass das Schriftformerfordernis durch die Textform
ersetzt wurde. Wie sehr hat das junge Nachweisgesetz plötzlich zu Bürokratieaufwand
geführt? Die Altersversorgung muss effizienter werden; einfacher in der Beratung bis zur
Teilnahme.
Deutschland steht im internationalen Vergleich hinsichtlich der Rentensicherheit oft hinter
anderen Ländern zurück. Welche Länder und welche Konzepte könnten als Vorbild dienen,
um die Rentensicherheit in Deutschland zu verbessern?
Länder wie Schweden kombinieren ein umlagefinanziertes System mit kapitalgedeckten
Elementen und bieten individuelle Rentenkonten an. Solche hybriden Modelle könnten auch
in Deutschland zur Stabilisierung und Flexibilisierung der Renten beitragen.
«Dringlich sind Massnahmen zur Stabilisierung des Rentensystems, Förderung der
privaten und betrieblichen Vorsorge sowie die Anpassung an den demografischen
Wandel.»
Angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, welche
wichtigsten Trends und Herausforderungen sehen Sie in der Zukunft der Altersvorsorge in
Deutschland, welches sind die dringlichsten Massnahmen?
Der Trend geht hin zu mehr Individualisierung und Flexibilität in der Altersvorsorge.
Dringlich sind Massnahmen zur Stabilisierung des Rentensystems, Förderung der privaten
und betrieblichen Vorsorge sowie die Anpassung an den demografischen Wandel.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?
Erstens wünsche ich mir ein Rentensystem, das nachhaltig finanziert ist und
Generationengerechtigkeit gewährleistet. Zweitens wünsche ich mir eine stärkere
Verbreitung und Wertschätzung der betrieblichen Altersvorsorge, um allen Arbeitnehmern
eine sichere und auskömmliche Rente zu ermöglichen.
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Versorgungswerk der deutschen Wirtschaft e.V.
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