Rentenpolitik: „Die Regierung hat das richtige Ziel, aber den falschen Werkzeugkasten“
Autor: Alexander Siegmund | Datum: 14. Mai 2025 | Quelle: cash-online.deWarum der große Wurf nur gelingt, wenn auch die betriebliche Altersvorsorge endlich reformiert wird – und wie ein wirklich zukunftsfähiger Rentenübergang aussehen muss.
Die Aktivrente – gute Idee, schwache Umsetzung
Ab 2026 soll sie kommen: die Aktivrente. Sie ermöglicht, bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei zu verdienen – für alle, die nach dem regulären Renteneintritt weiterarbeiten. Die Idee klingt zunächst nach Flexibilität, Fachkräftesicherung und Eigenverantwortung, doch die Realität sieht anders aus. Die Aktivrente soll das Rentensystem entlasten, weil länger gearbeitet und damit länger eingezahlt wird. Gleichzeitig verschiebt sich der Rentenbezug – theoretisch eine Win-win-Situation. Doch die Umsetzung bleibt weit hinter dem Anspruch zurück. Was als Anreiz für längeres Arbeiten verkauft wird, entpuppt sich als verkappte Einführung der Rente mit 70 – über den Umweg steuerlicher Privilegien.Symbolpolitik statt Strukturreform
Wer die Menschen mit Steuererleichterungen zum Weiterarbeiten animiert, statt offen über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu sprechen, betreibt Symbolpolitik. Der Staat verzichtet auf geschätzte 2,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen jährlich, um kurzfristige Anreize zu schaffen – ohne langfristig tragfähige Lösungen. Das Rentenniveau bleibt gesetzlich bis 2031 auf 48 Prozent fixiert, als gäbe es die Jahre danach nicht. Das ist keine nachhaltige Sozialpolitik, sondern ein politisches Zeitspiel auf Kosten kommender Generationen.Die bAV – das vergessene Puzzleteil
Während die Bundesregierung Flexibilität predigt, bleibt die betriebliche Altersversorgung (bAV) nahezu unbeachtet. Dabei ist sie eine der wichtigsten Säulen der Altersvorsorge und könnte – richtig eingebunden – der entscheidende Hebel für einen selbstbestimmten, flexiblen Rentenübergang sein. Doch der Gesetzgeber behandelt bAV und Aktivrente als zwei getrennte Systeme. Ein grober Fehler. Wer über moderne Altersvorsorge spricht, muss die bAV mitdenken – und zwar nicht als Nebenschauplatz, sondern als zentrale Komponente einer nachhaltigen Rentenstrategie.Das Kernproblem: Veraltete Gesetze
Aktuell erlaubt §6 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) die Auszahlung der bAV nur bei Bezug der Vollrente – also exakt dem Modell, das durch die Aktivrente flexibilisiert werden soll. Damit blockiert das Gesetz genau das, was politisch gefördert werden soll: einen sanften Übergang in den Ruhestand. Ein moderner Rentenübergang braucht deshalb:- Eine Reform des BetrAVG, um Teilrentenbezug und bAV zu verknüpfen.
- Steuerrechtliche Klarstellungen, um Arbeitgebern Sicherheit zu geben.
- Digitale, praxisnahe Umsetzungsmechanismen, damit kleine Unternehmen entlastet werden.
- Eine Reform des §6a EStG, um veraltete Zinssätze und Bewertungsgrundlagen zu modernisieren.
bAV und Aktivrente: Zwei Seiten einer Medaille
Aktivrente und bAV sind keine Gegensätze. Im Gegenteil: Sie könnten sich ergänzen. Eine Kombination aus flexiblem Rentenbezug, betrieblicher Mitverantwortung und steuerlicher Fairness wäre der Schlüssel zu einer neuen Rentenkultur:Gleiten statt kappen. Planen statt ausscheiden.Dafür braucht es jedoch Mut – Mut, alte Systeme zu hinterfragen, und den politischen Willen, Altersvorsorge ganzheitlich zu denken.
Fazit: Zukunft gestalten statt Symptombehandlung
Wenn die Bundesregierung wirklich etwas verändern will, muss sie weg von kosmetischen Steueranreizen und hin zu struktureller Reform. Eine moderne Rentenpolitik braucht die Integration der bAV als gleichberechtigte Säule, die Arbeitgeber und Beschäftigte gleichermaßen stärkt. Solange gesetzliche und betriebliche Altersvorsorge in getrennten Welten existieren, bleibt der Werkzeugkasten der Politik unvollständig.Alexander Siegmund ist Experte für betriebliche Altersversorgung. Er ist Gründer und Geschäftsführer der KPM Pension & Benefits GmbH.

